
28.Juli – mal eben zum Polarkreis
Grimsey, die einzige Insel, oder besser das einzige Stück Island, welches am Polarkreis liegt. Wir entschließen uns nicht am Sonntag bei trübem Wetter die Fährfahrt dorthin zu machen, am Montag soll es sonnig sein, da sieht die Welt doch schon ganz anders aus.
Nun heißt es früh aufstehen, Abfahrt ist um 9 Uhr.
3 ½ Stunden auf See, vorbei an einer atemberaubenden Kulisse, hohe Berge, Wolken, die sich langsam über den Berg schieben um der Sonne mehr Platz einzuräumen. Vereinzelte Schneefelder auf den Bergen, ach wie schön ist…nein nicht Panama, ach wie schön ist Island.
Wir kennen die Orte in den Buchten an denen wir vorbeifahren und sind auf freier See, Backbordseite in der Ferne die Küste von Flateyarskagi und irgendwann am Bug ist die Silhouette von Grimsey im herrlichsten Sonnenschein zu sehen. Wir sind Glückskinder, etwas in die Jahre gekommen zugegebenermaßen.
Zeit für`s, na was wohl, WC und eine köstliche Waffel mit Rómi, der unvergleichbaren isländischen Sahne, 38% Fett, da weiß man was man hat.
Die meisten Leute machen diesen Ausflug weil sie den Polarkreisglobus sehen wollen, der aber ein ganzes Stück oberhalb des 66. Breitengrades liegt, oder um eben diesen zu überschreiten, drüberhüpfen oder tanzen wollen. Der andere Teil möchte die lustigen Papageitaucher sehen und ein weiterer Teil verbringt ein Paar Tage auf dieser Insel mit gerade mal ca. 100 Einwohnern oder lebt dort. Dann gibt es noch uns, denen das alles egal ist, die einfach eine Wanderung machen wollen und mit Augen und Ohren aufnehmen was der Moment gerade zu bieten hat.
Wir gehen rechts herum aus dem Ort, stehen staunend an einer Felsenkante und sehen die ersten Puffins (Papageitaucher). Damit hatten wir nun gar nicht gerechnet. Weiter Richtung Leuchtturm, vorbei an der Inselkirche, die nach einem Brand im Jahre 2021 neu errichtet wurde, allerdings 4 m versetzt, weil man einen mittelalterlichen Friedhof entdeckte und die Totenruhe nicht stören wollte. Miðgarður – in der Mitte des Gartens (Friedhofes). Im Zuge dieser Entdeckung fand man weitere Artefacte aus viel älterer Zeit.
Solche Friedhöfe bestehen aus einer einzigen Rasenfläche, ein Stein oder ein Kreuz gibt die üblichen Angaben preis, Blumen auf maximal 40×40 cm, sonst nichts außer Rasen. Da gibt es keinen „Karl-Heinz“, upps ihr wisst ja gar nicht wer das ist, na der Mähroboter. Die Rasenmäher hier heißen wohl Jón, Mári oder Olafur und haben echte Manneskraft, aber Karl-Heinz, da wird einem doch heimisch um’s Herz.
Wanderer brauchst du eine Pause, dann setze dich an den Leuchtturm und genieße den Ausblick – Wasser, Wasser und nochmal Wasser.
Der kleine orange Leuchtturm ist in Sicht und dem Himmel sei Dank auch eine Bank. Langes Ausruhen ist nicht, denn wir haben bis zur Abfahrt der Fähre nicht unendlich Zeit und dann sind sie wieder da die Puffins, eine ansehnliche Kolonnie.
Das sind jetzt erstmal die Exkremente der Küstenseeschwalben.
Diese putzigen Vögel legen pro Saison nur ein Ei, zum Schutz vor gefräßigen Küstenseeschwalben in tiefe Löcher. Das vierhundertfünfundachtzigste Foto oder mehr wird gemacht, jedes Jahr aufs Neue. Die sind aber auch süß und wir verzichten gerne darauf die angeblich gut schmeckenden Lundibrüste zu essen. Ich ahne was ihr nun sagt, aber Lamm, Kalb oder oder….
Wenn speziell mir nicht der Zeitdruck im Nacken hing, immer Bedenken zu spät zu kommen, dann hätten wir uns wohl länger an diesen putzigen Tieren erfreut. Weiter gehts und es kam wie es kommen sollte, der kürzere der drei scheinbar markierten Wanderwege war eben nicht markiert, ehe wir es bemerkten waren wir auf dem 6 km Wanderweg. Ist ja nicht so happig denkt ihr? Richtig, aber es ging nicht mal eben übers platte Land, rauf und runter, stehen bleiben staunen, fotografieren und ich mit meinen Bedenken die Fähre nicht zu schaffen.
Zur Not würden wir eben auf der Insel übernachten. Wir haben es trotz der Anstrengung und des längeren Weges geschafft und hatten reichlich Zeit bis zur Abfahrt.
Bevor wir aber ein weiteres Mal an die köstlichen Waffeln kamen, mussten wir durch eine Kolonnie Küstenseeschwalben durch, die sehr aggressiv ihre Jungen verteidigten – dabei waren wir doch ganz lieb. Über dem Kopf handyschwingend marschierten wir da durch, immer hoffend weder Schiss noch Picks zu erhalten.
Zeit genug noch in die andere Richtung zu gehen und wieder eine schöne und ruhige Stelle gefunden zu haben.
Die meisten der Menschen, die uns entgegen kommen, gehen an dieser wunderschönen Stelle vorüber. Es gilt oftmals nur einen bestimmten Punkt auf der Bucket-List abzuhaken. Wie schade für diese Menschen.
Welch ein Genuß heute, den wir dankbar im Kopf behalten.
Ein schöner Platz zum Meditieren oder einfach nur sinnieren oder einfach nur genießen und nicht an morgen denken.
Bless bess Grimsey.